17.03.2015

„Wir brauchen eine EU-Armee“

Der Außenpolitiker Elmar Brok wirbt für eine europäische Armee, um die Brüsseler Politik zu untermauern. Er stellt sich eine europäische Verteidigungsagentur vor, die die Rüstungsausgaben steuert.

Herr Brok, ist eine gemeinsame Armee der Europäischen Union (EU) nötig?
Dieses Ziel ist sinnvoll, weil es die EU eint, nach außen stärkt und Kosten spart. Und je stärker der politische Wille ist, desto schneller lassen sich die zahlreichen Hürden nehmen.

Wie viel Zeit braucht der Aufbau einer EU-Armee?
Dieser Prozess würde beschleunigt, wenn der verteidigungspolitische Gipfel im Juni genau definiert, mit welchen Schritten eine EU-Armee erreicht werden soll. Der Lissabonner Vertrag lässt eine stärkere Kooperation einzelner EU-Mitgliedsstaaten zu. Es geht aber auch um die Beschaffung von militärischem Gerät oder um Forschung, wo große Synergien möglich sind.

Die Ukraine-Krise und die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ haben die Idee einer EU-Armee neu belebt. Der politische Wille scheint noch nicht so stark zu sein.
Die knappen Kassen werden uns helfen. Aus nationalen Haushalten lässt sich keine Verteidigungsfähigkeit mehr herstellen. EU-Staaten geben bis zu 70 Prozent des Verteidigungsetats für Organisation aus. Bei solchen Strukturen wäre jedes private Unternehmen bereits pleite. Kann nicht die europäische Verteidigungsagentur ein Beschaffungsamt für alle werden? Dann würde es ein Desaster wie beim Transportflugzeug A400 M nicht mehr geben, bei dem acht Nationen jeweils Sonderwünsche umsetzen wollten und damit das Projekt verteuerten sowie in die Länge gezogen haben. Viel Geld könnte auch gespart werden, wenn die Nationen die Aufgaben von Marine, Heer und Luftwaffe untereinander verteilen würden.

Was sind die wichtigsten Schritte?

Man sollte als Erstes eine permanente Kooperation vertraglich ermöglichen für jene Länder, die vorangehen möchten. Einzelne Staaten könnten dann Vorhaben nicht mehr blockieren. Man könnte zusätzlich ein Hauptquartier einrichten, in dem die bereits bestehende Zusammenarbeit etwa der deutsch-niederländischen oder der deutsch-französischen Brigade koordiniert wird.

Wird ein verteidigungspolitisches Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht viele Staaten verärgern?

Im EU-Parlament fordern wir, die gemeinsamen Schritte wie ein Hauptquartier voranzubringen, damit es nicht nur bei bilateralen Kooperationen bleiben muss. Alles weitere muss noch entwickelt werden.

Treten Bereiche wie Entwicklungspolitik in den Hintergrund?

Nein, das Primat bleibt bei der Politik. Aber die muss untermauert sein. Allerdings haben wir mehr Soldaten als die USA, geben dreimal mehr für Verteidigung aus als Russland und können trotzdem unsere Armeen kaum einsetzen. Die Diplomatie wird immer Vorrang haben. Krieg ist das Versagen von Politik. Die Gegenseite muss aber wissen, dass wir uns verteidigen können.

Elmar Brok ist seit 1980 Mitglied im Europäischen Parlament. Seit 2012 ist der 68-jährige Christdemokrat Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten. Derzeit argumentiert er für eine EU-Armee als Teil einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik der EU.  Foto: Imago

Müsste nicht mehr in Entwicklungspolitik investiert werden, um die Konflikte in den Nachbarregionen der EU zu lösen?

Die EU würde mit einer gemeinsamen Verteidigungspolitik vor allem Geld sparen. Zusätzlich würden künftig Missionen schneller umgesetzt werden. Beim Mali-Einsatz konnten die Soldaten erst ein Jahr nach dem Beschluss entsendet werden. Entwicklungspolitik bleibt wichtig. Die EU muss mehr unternehmen, damit die Menschen etwa aus den Staaten Nordafrikas nicht die teure und mitunter tödliche Flucht nach Europa antreten müssen. Die meisten wollen ihre Heimat doch gar nicht verlassen. Das gilt auch für syrische Flüchtlinge. Ich habe mit vielen gesprochen, fast alle wollen in ihre Heimat zurück. Aber eine gute Entwicklungspolitik schließt eine bessere Verteidigungspolitik nicht aus.

Interview: Andreas Schwarzkopf

Quelle: http://www.fr-online.de/politik/eu-armee–wir-brauchen-eine-eu-armee-,1472596,30107420.html