04.12.2018
US-Handelskonflikte„Das wird für die USA auf Dauer kein Zuckerschlecken“
Wenn die USA tatsächlich Strafzölle auf europäische Autos verhängen sollten, werde die EU, „der größte Binnenmarkt der Erde“, reagieren, sagte der EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) im Dlf. Trump müsse klargemacht werden, dass seine Politik zu Wohlstandsverlust auch in den USA führe.
Elmar Brok im Gespräch mit Martin Zagatta
Martin Zagatta: Überschattet von Handelskonflikten, der Ukrainekrise und der Khashoggi-Affäre hat in Buenos Aires der G20-Gipfel begonnen, das Treffen der großen Industrie und Schwellenländer, das Ganze erst einmal ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel, die wegen einer Flugzeugpanne den ersten Tag nahezu ganz verpasst hat. Mitgehört hat Elmar Brok von der CDU. Er ist Außenpolitiker im EU-Parlament und, das darf man wohl so sagen, auch ein Vertrauter von Angela Merkel. Guten Morgen, Herr Brok!
Elmar Brok: Guten Morgen, Herr Zagatta!
Zagatta: Angela Merkel hat wegen einer Flugzeugpanne fast den ganzen ersten Tag verpasst. Macht das denn überhaupt viel aus, denn den Ton geben ja nicht die Europäer an?
„Die Autokraten in Peking und Moskau sind machtpolitisch unterwegs“
Brok: Nun, sie geben ihn nicht an, weil sie nicht den Krach schlagen, dass sie nicht Ereignisse erzeugen wie im Asowschen Meer die Russen und auch nicht der Versuch des dominanten Verhaltens von Herrn Trump, aber sie haben Einfluss, sie führen viele Gespräche, gerade in Handelsfragen. Wir sind die größte Handelsmacht der Erde, und da wird es nicht so leicht, ohne die Europäer irgendetwas zu beschließen.
Zagatta: Sie nennen das Krachschlagen, aber wenn man sich jetzt die Teilnehmer anschaut: ein unberechenbarer US-Präsident, Autokraten wie Xi Jinping oder Putin, der sich ja gerade über das Nachbarland Ukraine hermacht, und dazu dann noch mit dem saudischen Kronprinzen, der mutmaßliche Drahtzieher eines Auftragsmordes. Macht Ihnen das keine Angst?
Brok: Natürlich macht das Sorge, dass wir diese Entwicklung haben. Die Autokraten in Peking und Moskau haben ihre klaren Ziele, die über Ökonomie hinausgehen, sie sind machtpolitisch unterwegs, auch Xi mit seiner Seidenstraßenpolitik, das ist ja alles auch der Versuch, Macht auszudehnen, und deswegen ist es wichtig, dass man im Gespräch bleibt und die Kontakte hält. Nicht immer trifft man im politischen Geschäft Leute, die man menschlich mögen kann, und umso wichtiger ist es, dass man redet, redet, redet, um auf diese Art und Weise auch vielleicht die Dinge im Lot zu halten, ohne dass man es komplett sofort lösen kann.
Zagatta: Das Reden will aber US-Präsident Trump diesmal zumindest nicht mit dem russischen Präsidenten Putin, so hat er angekündigt, wegen des Ukrainekonflikts. Macht dann so etwas Sinn?
„Eine Gelegenheit, Putin deutlich die Meinung zu sagen“
Brok: Sie reden ja alle miteinander, aber in diesem einen Falle nicht, und ich halte das für eine Fehlentscheidung des amerikanischen Präsidenten. Dies ist eine Gelegenheit, Putin deutlich die Meinung zu sagen und mit ihm vielleicht etwas auszuhandeln, dass die Dinge doch gemäßigter sich gestalten lassen. Diese Entscheidung, nicht miteinander zu reden, halte ich für eine völlige Fehlentscheidung.
Zagatta: Sehen Sie da die Möglichkeit, etwas auszuhandeln? Setzen Sie da zum Beispiel auf Angela Merkel, glauben Sie an diese Möglichkeit?
Brok: Wir müssen sehen, dass das Normandie-Mandat, das damals noch Obama, die Amerikaner, die Russen, die Ukrainer, dann die Franzosen und Deutschen auf einem solchen internationalen Treffen vereinbart worden ist, und auf dieser Grundlage hat man dann wenigstens zu einem Einhalt der Auseinandersetzung geführt. Das sollten jetzt Macron und Merkel mit Putin entsprechend fortsetzen, um auf diese Art und Weise durch die Eingrenzung des Konfliktes zu erreichen, wie man es bisher geschafft hat, ohne das Problem zu lösen. Ich glaube, es ist außerordentlich wichtig, dass aus diesen Gründen diese Treffen stattfinden. Da sie stattfinden regelmäßig, ist der Zwang zum miteinander reden. Wenn solche Treffen jedes Mal besonders ausgehandelt werden müssen, würden sie nicht stattfinden. Deswegen ist dieser Automatismus des Treffens immer von großer Bedeutung.
Zagatta: Beim Thema Ukraine geht es ja auch um Sanktionen gegen Russland. Die werden jetzt nicht verschärft, obwohl das gerade von der Ukraine und auch von östlichen EU-Ländern gefordert wird. Halten Sie das für richtig?
„Mit dem Knüppel Handelspolitik zu betreiben, ist die falsche Methode“
Brok: Ich glaube, dass wir diese Gespräche abwarten müssen. Wir müssen sehen, welche weiteren Konsequenzen das hat. Wir müssen sicherstellen vielleicht auch, dass westliche Handelsschiffe durch diese Meerenge fahren, dass die Internationalität der Gewässer gewährleistet sind, um auf die Art und Weise Putin zu bestimmten Verhaltensmustern zu zwingen, die vernünftiger sind als das, was er mit dieser einen Aktion gemacht hat. Ich glaube, dass das von daher erst mal ein Versuch ist, die Dinge anderweitig wieder in vernünftige Bewegung zu bringen, aber ich kann mir vorstellen, dass die Macron und Merkel und Juncker mit Positionen zurückkommen und sagen, da muss man doch mehr machen als jetzt. Wir müssen aber auch sehen, dass das ukrainische Parlament jetzt mit deutlicher Mehrheit entgegen des Willens des ukrainischen Präsidenten zu einer Deeskalierung der Lage beigetragen hat.
Zagatta: Herr Brok, jetzt kursieren gerade auch in Brüssel schon Informationen, Trump habe sich nun doch dafür entschieden, 25 Prozent Strafzölle auf Importe von Autos aus Europa zu erheben, also insbesondere auf Autos dann aus Deutschland. Gehen Sie davon aus, muss man das befürchten, dass das jetzt so kommt?
Brok: Ich halte das für möglich. Ich habe diese Gerüchte auch gehört, und weiß, dass da auch bestimmte Probleme bei den Verhandlungen sind. Ich hoffe, dass erst mal das Gespräch Juncker–Trump, das wohl auch in Buenos Aires stattfindet, zur Klärung führt. Da gibt es gewisse Chancen und offensichtlich auch Vorstellung aufseiten der Kommission, um etwas in Bewegung zu bringen. Mal sehen, wie das ausgeht. Wir müssen auch deutlich den Amerikanern sagen, dann wird die Europäische Union, der größte Binnenmarkt der Erde, auch reagieren gegen amerikanische Produkte. Dieses sich Gegensteigern von Handelsdrohungen und Sanktionen, wie das auch zwischen USA und China stattfindet, wird, glaube ich, auch für die USA auf Dauer kein Zuckerschlecken sein. Aus diesem Grunde muss auch Trump klargemacht werden, dass diese einmaligen einseitigen Einschränkungen, die immer wieder versuchte Handelspolitik, auch zum Wohlstandsverlust in den USA führt, dass amerikanische Automobilunternehmen wie General Motors jetzt Schwierigkeiten haben, weil ihre Produktion teurer wird, weil der Stahl teurer geworden ist, der Stahl, der teurer geworden ist, wegen der Tarife, die Trump auch auf Stahl, auf europäischen Stahl gesetzt hat. Wenn diese Zusammenhänge einmal dem Herrn Bauunternehmer Trump klar würden, dann würde vielleicht auch daraus festgestellt werden, dass dies die falsche Methode ist, mit dem Knüppel Handelspolitik zu betreiben.
Zagatta: Eine merkwürdige Methode, finden viele vielleicht auch, ist der Umgang mit dem saudischen Kronprinzen jetzt in Buenos Aires. Der sitzt dort mit am Tisch, ist überaus freundlich – so hat man die Bilder gesehen – empfangen worden nach all den Vorwürfen gegen ihn. Muss man das so machen?
„Bush war in der deutschen Geschichte ein großer Mann“
Brok: Nein, und ich bin sicher, dass in den Gesprächen ihm das deutlich gesagt wird, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Herr Putin oder Herr Xi nicht Dreck am Stecken haben und Blut an den Fingern haben mit dem, was sie alles betrieben haben. Wenn das der Fall ist, dass wir mit solchen Diktatoren nicht reden dürfen, werden wir mit großen Teilen der Welt nicht reden dürfen. Saudi-Arabien ist ein Faktor ökonomisch und wirtschaftlich in der Region, und die Iraner gehen mit Menschenleben nicht besonders schön um, und deswegen dürfen hier keine falschen Gewichte entstehen, aber es muss ihm schon verdeutlicht werden, dass dieses persönliche Involviertsein in einer solchen Ermordung schon etwas Erschreckendes ist, was nicht hingenommen werden kann.
Zagatta: Herr Brok, zum Schluss noch etwas ganz anderes: Der ehemalige US-Präsident George Bush, der ist im Alter von 94 Jahren gestorben, das ist gerade bekannt geworden. Ein nicht unumstrittener Präsident, aber für Deutschland hat er ja auch … oder Deutschland hat ihm ja auch einiges zu verdanken. Wie haben Sie ihn Erinnerung? Sie haben ihn ja ziemlich gut gekannt.
Brok: Ich habe ihn gut gekannt, ich habe ihn kürzlich noch einmal besucht. Nicht kürzlich, vor zwei Jahren. Es ging ihm dann gesundheitlich schlechter, er hatte Parkinson ab der Hüfte, und ich hatte schon befürchtet, als seine Frau Barbara starb, dass das auch auf ihn belastend wirkt und das gesundheitsschädigend wirkt. Wer die beiden miteinander hat reden hören, umgehen hören – ich erinnere mich, dass in diesem letzten Besuch ich da bei einem Mittagessen zwischen den beiden saß, dass im Alter eine Liebe zwischen denen war, die unglaublich war. Diesem Mann, dem haben wir sehr viel zu verdanken. Ohne den gäbe es keine deutsche Einheit. Er hat durchgesetzt, dass man den Deutschen, dass man Helmut Kohl vertrauen darf. Er und James Baker und Brent Scowcroft, sein Sicherheitsberater und sein Außenminister, haben gekämpft für die deutsche Einheit, und dieses sollten wir niemals vergessen. Dies ist in der deutschen Geschichte ein großer Mann.
Zagatta: Sagt der CDU-Politiker Elmar Brok heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Brok, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Brok: Ich danke auch, Herr Zagatta!