08.11.2009

Erinnerungen und Gedanken von Elmar Brok an den Mauerfall 1989

Die damaligen Bilder der friedlichen Menschen, die am Grenzübergang Bornholmer Straße den Schlagbaum passierten und sich glücklich in die Arme fielen, berühren mich heute immer noch zutiefst. Ich selbst stand am 10. November am Brandenburger Tor auf der Mauer und spürte im Augenblick des Glücks die Bedeutung und Tragweite dieses historischen Moments. Die DDR-Grenzer versuchten mit Wasserschläuchen, die auf der Mauer feiernden Menschen zu vertreiben. Doch ebenso wie die Mauer fiel, so zerplatzten auch ihre Wasserschläuche. Wenige Tage später beschloss das Europäische Parlament eine Resolution, die ich mit dem SPD-Abgeordneten Hänsch vorbereitet hatte. Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments hatte ich mir damals nicht nur die deutsche Wiedervereinigung, sondern auch die europäische Einheit von Ost und West zu einem Mittelpunkt meiner Arbeit gemacht. Ein Jahr nach dem Mauerfall gelang es mir als Obmann der Europäischen Volkspartei (EVP) im Sonderausschuss des Europäischen Parlaments eine fast einstimmige Zustimmung zum deutsch-deutschen Einigungsvertrag zu organisieren. Darüber hinaus arbeitete ich 1993 intensiv als Berichterstatter des Europäischen Parlaments an der sozioökonomischen Eingliederung der neuen Bundesländer in die Europäische Union. Viel EU-Geld fließt seitdem in die neuen Bundesländer. Eine starke Bundesrepublik Deutschland in einem friedlichen Europa als gleichberechtigter Partner politisch, wirtschaftlich und kulturell harmonisch einzubinden, muss Ziel bleiben. Deutschland ist einmalig in Frieden, Freiheit und mit Zustimmung aller Nachbarn vereint.

Für mich persönlich hat der Mauerfall, der sich in diesem Jahr zum 20. Mal jährt, eine weitere Bedeutung neben dem eines zentralen Wendepunktes der deutschen Geschichte. Es war ein Ereignis von weltweiter Tragweite, da der Einsturz der Mauer einerseits die Überwindung der ideologischen Blöcke in Ost und West darstellte und andererseits den Weg für ein vereintes und friedliches Europa ebnete. Gleichzeitig war es der Beginn eines Prozesses, der im Laufe der vergangenen 20 Jahre wertvolle Früchte hervorgebracht hat und der noch bis heute anhält. Die Bundesrepublik ist fest eingebunden in ein friedliches Europa mit einer einheitlichen Rechtsordnung. Im Jahre 2004 konnte durch den Beitritt zahlreicher Staaten des ehemaligen Ostblocks, die erste Osterweiterung der Europäischen Union gefeiert werden, die ich seit 1999 als Hauptberichterstatter des Europäischen Parlaments begleiten und vorantreiben konnte. Europa vereinigte sich über die Grenze der gefallenen Mauer hinaus und erweiterte den Kreis der europäischen Familie. Mit dem Vertrag von Lissabon besitzen wir nun ein Instrument, mit dem alle Staaten der Union – ob in Ost und West, Nord und Süd – politisch, wirtschaftlich aber auch kulturell enger aneinander rücken und besser ihre gemeinsame Arbeit harmonieren können. Der Fall der Berliner Mauer ist das Symbol, um ein in seinen Grenzen friedliches Gesamteuropa aufzubauen, das nicht nur politisches und wirtschaftliches Gewicht besitzt, sondern auch als ein Beispiel kultureller und sprachlicher Vielfalt leuchtend in die Welt hinausstrahlt.

Wir Deutschen dürfen aber niemals vergessen, dass dies alles nicht möglich geworden wäre ohne den Mut der Polen mit Solidarnosc, der samtenen Revolution Havels in Prag und der Öffnung des Eisernen Vorhangs, die dafür genauso entscheidend waren wie das gegenseitige Vertrauen der handelnden Staatsmänner Kohl, Bush, Gorbatschow und Delors.

Und zu oft wird vergessen, wie groß der prägende Einfluss des polnischen Papstes Johannes Paul II. auf dem Thron Petri für die Einheit Deutschlands und Europas war.